Die Vision der virtuellen Fabrik
„Die Fabrik der Zukunft ist total digital.“ – So drückt es der Fachexperte und Fabrikplaner Dr. Tobias Heinen in seinen zehn Thesen zur Fabrik der Zukunft aus. Gemeint ist ein digitaler Zwilling der realen Fabrik. Doch die Vision beschränkt sich nicht nur auf ein statisches 3D-Modell. Vielmehr geht es um ein dynamisches, digitales System.
Dieses System lebt von den unzähligen Daten, die Tag für Tag in jeder Fabrik entstehen. Ob Auslastungswerte, Maschinenparameter, oder Messergebnisse aus der Qualitätssicherung: Zentral zusammengeführt – etwa in einer Industrial Cloud – bilden all diese Daten die Grundlage für ein realistisches Abbild Ihrer Fabrik im digitalen Raum. Doch wozu das Ganze?
Vorteile eines digitalen Zwillings
Tag für Tag werden in der Fertigung viele Entscheidungen getroffen. Doch auf welcher Basis entscheiden Sie? Produktionsprozesse bestehen aus einem empfindlichen Netzwerk unterschiedlichster Einflussfaktoren. Nahezu unmöglich, alle Faktoren immer korrekt einzuschätzen und die richtigen Schritte einzuleiten. Der Fakt, dass viele mittelständische Betriebe mit extremen Abrufschwankungen und hoher Planungsunsicherheit umgehen müssen, kommt erschwerend hinzu.
Doch was wäre, wenn wir digitale Unterstützung hätten? Hier kommt der digitale Zwilling ins Spiel. Wir träumen davon, die Zukunft vorherzusagen, um bessere Entscheidungen zu treffen. Wir wollen agieren, statt nur zu reagieren. Der digitale Zwilling bringt uns der Erfüllung unserer Träume ein Stück näher.
If you can’t measure it, you can’t manage it.
Peter Drucker (Ökonom)
Echte Daten sind die beste Entscheidungsgrundlage, die Sie bekommen können. Durch Analyse Ihrer bestehenden Produktionsdaten – u.a. mithilfe von Künstlicher Intelligenz – sind Sie in der Lage, in Echtzeit Zusammenhänge zu erkennen und diese als Entscheidungsgrundlage zu nutzen. Getreu dem Schema: „Wenn ich Parameter A ändere, wirkt sich das auf meine Zielgrößen X und Y in folgendem Maße aus …“
Denn der große Vorteil des digitalen Zwillings: Er bildet nicht bloß den Status Quo ab, sondern simuliert auch den weiteren Verlauf, bezieht Normal- und Extremzustände ein, und kann Alternativen beleuchten. Der moderne Blick in die Glaskugel. Ihr konkreter Nutzen:
- Sie testen Systeme bereits in der Planungsphase anhand realer Bedingungen.
- Sie vermeiden Überraschungen in der Inbetriebnahme und Anlaufphase.
- Sie entwickeln Prognosen und agieren vorausschauend.
- Sie simulieren Szenarien und Alternativen, ohne in die reale Fertigung eingreifen zu müssen.
Im Rahmen unseres LMZ Industry Talk haben wir den Fabrikplaner Dr. Tobias Heinen getroffen, um mit ihm über die Fabrik der Zukunft zu sprechen. Im Gespräch schauen wir näher auf die Vision des digitalen Zwillings, und betrachten den Status Quo deutscher Fabriken in Bezug auf dieses Thema.
Status Quo deutscher Fabriken
Mit seinem Unternehmen – der GREAN GmbH – hat Dr. Tobias Heinen im Juli 2021 die Studie GREAN – Produktionsindex inkl. Sonderteil „Industrie 4.0 in Fabriken“ veröffentlicht. Unter der Leitfrage „Wie Industrie 4.0 ist Ihre Fabrik?“ haben die befragten Industrieunternehmen ihren Stand der Digitalisierung eingeschätzt. Der Mittelwert von 4,59 zeigt klar, dass hier noch viele ungenutzte Potenziale schlummern.
Noch interessanter ist allerdings die Spreizung der Antworten: Diese liegt zwischen 1 und 8 Sternen, was sehr deutlich zeigt, wie unterschiedlich die Umsetzungsstände der Fabriken sind.
Es gibt bereits ein paar digitale Nordsterne, aber im breiten Mittelstand ist der digitale Zwilling aktuell noch Zukunftsmusik.
Dr. Tobias Heinen im LMZ Industry Talk
Doch wie gelangen Unternehmen nun zu Industrie 4.0? Bei der Frage nach dem größten Umsetzungsbedarf für Industrie 4.0-Lösungen hat die Datenerfassung und -analyse in der Produktion die Nase vorn. 16,3% der Nennungen der betrieblichen Entscheider innerhalb der Studie fallen auf dieses Thema.
Es zeigt sich also deutlich: Der Weg zum digitalen Zwilling ist für Fabriken ein entscheidender Schlüssel zur tatsächlichen Smart Factory. Es lohnt sich, schon heute damit zu beginnen. Nur wie?
Schritt für Schritt zum digitalen Zwilling der Fabrik
Die Wahrheit ist: Sie werden nicht von heute auf morgen Ihre gesamte Fabrik digitalisieren. Und das müssen Sie auch gar nicht. Auch wenn das virtuelle Abbild der gesamten Fabrik noch Zukunftsmusik ist, gibt es bereits sehr lukrative Lösungen in kleinerem Rahmen.
Ein gutes Beispiel hierfür sind Industrieroboter. Hier kommen bereits digitale Zwillinge des jeweiligen Roboters zum Einsatz, um z.B. im laufenden Prozess anhand dieses digitalen Abbilds Bewegungen zu simulieren. Auch ist es sehr sinnvoll, Wartungszustände von Anlagen anhand der Auswertung der Maschinenparameter zu ermitteln, um mögliche Stillstandszeiten frühzeitig erkennen und entsprechend einplanen zu können (Predictive Maintenance).
Ausgehend von solchen konkreten Anwendungen können Sie die Digitalisierung in Ihrer Fertigung sukzessiv ausweiten, weitere Systeme integrieren und schließlich Schritt für Schritt das digitale Abbild Ihrer Fabrik zeichnen.
Weiterführende Links:
🔗 Das gesamte Gespräch mit Fabrikplaner Dr. Tobias Heinen im YouTube-Video.
🔗 Whitepaper von Dr. Tobias Heinen: Zehn Thesen zur Fabrik der Zukunft.
🔗 „Factory21“ – Der Podcast für Führungskräfte in der Produktion, mit Dr. Tobias Heinen.
🔗 Weitere Gespräche mit Experten der Branche: Im LMZ Industry Talk.