Wachstum und Wohlstand brauchen Fachkräfte. Der Mangel in diversen entscheidenden Fachbereichen gilt als eine der aktuell größten Herausforderungen für die deutsche Industrie. In diesem Beitrag werfen wir einen Blick auf den Status Quo, und zeigen Lösungswege.

Fachkräftemangel: Was tun, wenn die Leute fehlen?

Eine allgegenwärtige Frage in den meisten deutschen Industrieunternehmen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sprach schon im September 2022 von der Problematik des strukturellen Wandels: Die fehlenden Fachkräfte seien „eines der größten Problemkinder der Politik für einen wirtschaftlichen Aufschwung und für Wohlstand und Wachstum in Deutschland„.

Anfang des Jahres sprach die deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) Klartext. Im Fachkräftereport der Kammer (rund 22.000 befragte Unternehmen) ist die Rede von Zwei Millionen offenen Stellen, die nicht besetzt werden können. Das entspricht einem Wertschöpfungspotenzial von knapp 100 Milliarden Euro, welches der deutschen Wirtschaft entgeht. Wohlgemerkt trotz der angespannten wirtschaftlichen Gesamtsituation.

85% der befragten Unternehmen gaben zudem an, dass sie durch den wachsenden Fachkräftemangel negative Konsequenzen befürchten. Die Sorge ist berechtigt, denn neben dem Gesundheitssektor steht es um die Industrie besonders kritisch. Vor allem in den MINT-Bereichen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) stehen Angebot und Nachfrage in keinem gesunden Verhältnis zueinander.

Folgen des Fachkräftemangels für die Industrie

Der Mangel an Fachkräften hinterlässt Spuren. Die Folgen sind in vielen Betrieben bereits heute zu spüren, und werden sich mittel- bis langfristig wohl noch deutlicher abzeichnen (bis 2060 werden rund 16 Mio. weniger Erwerbspersonen auf dem deutschen Arbeitsmarkt erwartet). Die Folgen laut DHIK:

  • Überbelastung der vorhandenen Belegschaft
  • Immer höhere Arbeitskosten bei gleichbleibendem Preisdruck
  • Auftragsverluste durch personelle Grenzen
  • Verlust der internationalen Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit

Exkurs: Fachkräftemangel in der Kunststoffbranche

Matthias Ruff, Leiter Vertrieb beim SKZ

Im Rahmen des LMZ Industry Talk haben wir uns mit Matthias Ruff vom „SKZ – Das Kunststoffzentrum“ zum Interview getroffen. Der Branchenexperte hat uns einen Einblick in die aktuelle Fachkräftesituation der Kunststoffbranche gegeben:

„Wir haben einen Fachkräftemangel, und den nicht erst seit gestern.“ Neben der beschriebenen Gesamtsituation sieht Matthias Ruff das Problem vor allem im schlechten Image der Branche. Außerdem wären die Arbeitsbedingungen in vielen Produktionsbetrieben wenig attraktiv im direkten Vergleich mit anderen Berufen.

Matthias betont, dass das Problem nicht nur die „klassischen Produktionsjobs“ betrifft. Auch und vor allem an studierten Fachkräften – ob im Büro oder in der Fabrik – mangelt es. Er gibt ein Beispiel:

„In Würzburg ist das SKZ für den Studiengang „Kunststofftechnik“ mitverantwortlich. In diesem Studiengang war in den letzten Jahren eine Reduzierung von 50% der Studienanfänger zu beobachten.“

Matthias Ruff

Wo heute die Studierenden fehlen, fehlen morgen die Fachkräfte in den kunststoffverarbeitenden Produktionsbetrieben. Doch wo können Industrieunternehmen nun ansetzen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen? Schauen wir gemeinsam auf drei Handlungsfelder:

1. Recruiting neu denken

Die Zeiten, in denen man eine offene Stelle bloß auf die Website stellen musste, um sie neu zu besetzen, sind vorbei. Ein durchdachter Recruiting-Prozess ist das unabdingbare Fundament, um Fachkräfte für sich zu gewinnen. So gilt es, die Mitarbeitergewinnung mindestens genauso akribisch zu betrachten wie die Neukundengewinnung.

Das sieht auch die Industrie: So schreibt etwa das Fachmagazin „Produktion“ vom Praxisbeispiel der Firma „Franke“, welche neben der Website viele verschiedene (digitale) Kanäle zur Mitarbeitergewinnung nutzt. Folgende Punkte sind wichtig für modernes Recruiting:

  • Zielgruppengerechte Kommunikation (z.B. über Social Media)
  • Individuelle Ansprache von Interessenten
  • Schaffen einer positiven Experience im Bewerbungsprozess

Wie genau eine optimale Ansprache aussieht, variiert natürlich von Fall zu Fall. Pauschallösungen werden hier nicht zum Erfolg führen. Hilfreich ist es definitiv, wenn Sie sich intensiv mit Ihrer Zielgruppe auseinandersetzen, um die Bedürfnisse potenzieller Mitarbeiter zu verstehen. Die Übersetzung eben dieser Bedürfnisse in eine einzigartige Arbeitsumgebung ist dann die darauf aufbauende Herausforderung (siehe Punkt 3).

Wir erlauben uns an der Stelle eine kleine Eigenwerbung: Auf unseren LMZ Social-Media-Channels finden Sie regelmäßig spannende Inhalte rund um unsere Arbeit an der Fabrik der Zukunft. Der Content auf Instagram und LinkedIn richtet sich vorrangig an Interessenten aus den Bereichen: Maschinenbau, Elektrotechnik, Betriebswirtschaft.

2. Zusammenarbeit mit Bildungsträgern

Industrieunternehmen und Universitäten/Hochschulen sitzen im selben Boot. Eine enge Zusammenarbeit ist somit eine klare Win-Win-Situation. Das sieht auch Jan Repplinger. Der Chief Sales Officer der Firma Schunk erkennt für den Transformationsprozess des Unternehmens einen großen Bedarf an Fachkräften, weshalb das Unternehmen sich regional und weltweit im Umfeld von Hochschulen engagiert. Das sagte Repplinger dem Fachmagazin „Produktion“.

Ein Beispiel sei der Innovationspark KI in Heilbronn in Zusammenarbeit mit der dort ansässigen Hochschule. Weitere denkbare Kooperationsmöglichkeiten für Industrieunternehmen sind:

  • Studienkooperation über duale und berufsbegleitende Studiengänge
  • Gezieltes Angebot von Praktika und Abschlussarbeiten
  • Praxistransfer über Projektausschreibungen oder gemeinsame Projekte
  • Angebot der eigenen Infrastruktur für Studierende

Bei LMZ Lenkering haben wir letztes Jahr u.a. unser hauseigenes Labor eingerichtet. Dort haben nun auch Schulen, Berufs- und Hochschulen die Möglichkeit, diverse Technik (Sensorik, Robotik, Greiftechnik, Antriebstechnik) zu Schulungszwecken und für Experimente/Tests zu nutzen. Auch nehmen wir gern Prototyping-Aufträge für unseren 3D-Drucker entgegen.

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Torben Fangmann von LMZ im Gespräch mit Matthias Ruff vom SKZ – Das Kunststoffzentrum.

Im LMZ Industry Talk haben wir uns intensiv mit Matthias Ruff unterhalten. Dabei wird nicht nur der Fachkräftemangel thematisiert, sondern auch die Notwendigkeit von nachhaltigen Kunststofflösungen und der richtige Umgang mit der Energiekrise. Reinschauen lohnt sich.

3. New Work in der Industrie

New Work ist in aller Munde. Unternehmen gestalten ihre Räumlichkeiten um, richten flexible Büros ein, und ermöglichen den Mitarbeitenden zu arbeiten, wann und wo sie möchten. Auffällig ist, dass die Fabrik als zentraler Unternehmensbereich oft überhaupt nicht inkludiert ist in diese Entwicklung.

Dabei ist die aktive Gestaltung eines positiven Arbeitsumfeldes ein zentraler Hebel gegen den Fachkräftemangel. Attraktive Arbeitsbedingungen gewinnen und halten Personal. Es muss nicht zwangsläufig das Home Office und Workation sein (zumal dies im produzierenden Kontext gar nicht möglich ist) – es geht um die individuelle Ausrichtung der Arbeitsumgebung an den Bedürfnissen der Mitarbeitenden.

Für den Konzern Trumpf etwa ist ein wichtiger Baustein die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, gefördert durch flexible Arbeitszeitmodelle. Hinzu kommt gezielte Gesundheitsförderung durch ein Gesundheitszentrum. Weitere denkbare Maßnahmen sind:

  • Entlastung der Mitarbeiter durch Automatisierung repetitiver Tätigkeiten
  • Dezentrale Entscheidungsstruktur: Wertschätzung durch Verantwortung
  • Job-Rotation zur Vermeidung eines monotonen Arbeitsalltages

Zum Thema „New Work in der Produktion“ haben wir bereits mit dem Fabrikplaner Dr. Tobias Heinen gesprochen. Die Ergebnisse des Interviews können Sie in folgendem Blogbeitrag lesen: Von New Work zur New Production.

Unser Fazit

Der Fachkräftemangel ist real und wird die deutsche Industrie auch weiterhin vor große Herausforderungen stellen. Doch die Lage ist nicht aussichtslos. Es werden sich diejenigen Unternehmen durchsetzen, die bereit sind, das eigene Arbeitsumfeld und die eigenen Prozesse individuell anzupassen und zu transformieren. Denn der Weg in die Fabrik der Zukunft ist ebenso der Weg in die Arbeitswelt der Zukunft.

Weiterführende Links:

🔗 Das gesamte Gespräch mit Kunststoff-Experte Matthias Ruff im YouTube-Video.

🔗 Wie sieht sie aus, die Fabrik der Zukunft? Antworten gibt es im LMZ Industry Talk.

🔗 Von New Work zur New Production.

Dennis Lenkering (B.Sc.)
Maschinenbauingenieur und Geschäftsführer von LMZ Lenkering mit einer tiefen Leidenschaft für digitalisierte, intelligente und automatisierte Produktionsketten.
Torben Fangmann (B.A.)
B2B Marketing Stratege mit Inhaltsfokus auf industrielle Themen und branchenspezifische Entwicklungen rund um die Fabrik der Zukunft.