„Technologie ist der Schlüssel zu mehr Nachhaltigkeit.“ – so sagt es Sai Seidel-Sridhavan von der Firma Turck. Er und sein Team arbeiten an diversen Lösungen, um Fabriken durch Nutzung von Daten nachhaltiger zu gestalten. Im Interview gibt er uns einen Einblick.

Wie nachhaltig sind unsere Fabriken?

Die Industrie ist in Aufbruchstimmung. So zeigen es zumindest aktuelle Studien, die sich mit dem Einsatz von Technologie für mehr Nachhaltigkeit in den Fabriken beschäftigen. Sai Seidel-Sridhavan bezieht sich im Gespräch mit LMZ auf eine Studie von ABB Motion (2.294 befragte Industrieunternehmen in 13 Ländern), laut welcher rund 97% der Unternehmen bereits in nachhaltige Lösungen (effiziente Energienutzung) investieren oder planen, es zu tun (54% investieren bereits, 43% planen zu investieren).

Weitere Studien stützen dieses Bild. So spricht das Capgemini Research Institute (2021) davon, dass 73% der Unternehmen Automatisierung zur Förderung der Nachhaltigkeit in ihrem Unternehmen integrieren (siehe Bild).

Bildquelle: Turck

Der Fortschritt der deutschen Industrieunternehmen beim Thema technologiegetriebene Nachhaltigkeit ist jedoch unterschiedlich. „Viele Unternehmen planen konkrete Maßnahmen zur nachhaltigen Produktion, doch befinden sich noch in der Frühphase.“, so eine Kernaussage von Sai im LMZ Industry Talk.

Fachexperte: Sai Seidel-Sridhavan von Turck

Sai Seidel-Sridhavan, Produktmarketing bei Turck

Um konkrete und praxisrelevante Einblicke zu bekommen, haben wir uns mit Sai Seidel-Sridhavan von der Firma Turck zum Interview getroffen.

Seit nunmehr 11 Jahren arbeitet Sai bei Turck und ist aktuell als Produktmarketing Manager u.a. für die strategischen Themen des Unternehmens zuständig. Das große Thema „Nachhaltigkeit“ ist Teil dieser Strategie. So bekommt Sai einen guten Einblick in die aktuellen Entwicklungen der Industrie – speziell im Bereich der Automatisierungstechnik – hin zu mehr Nachhaltigkeit in den Fabriken.

Sai hat uns im Rahmen des LMZ Industry Talk besucht. Dieser Blogbeitrag basiert auf dem Gespräch zwischen ihm und LMZ-Geschäftsführer Dennis Lenkering. Das gesamte Gespräch können Sie sich HIER ansehen.

Daten sind der Schlüssel zur Nachhaltigkeit

Tag für Tag generieren wir in unseren Fabriken eine Vielzahl an Daten (z.B. Prozessdaten, Identifikationsdaten, Zustandsdaten, etc.). Diese Daten können und sollten wir verarbeiten, analysieren und aufbereiten, um anhand der Daten gezielte Entscheidungen zu treffen, die unsere Maschinen und Prozesse nachhaltiger gestalten.

„Mehr Daten bedeuten mehr Transparenz über meine Maschinen und Prozesse. Nur, was ich messen kann, kann ich auch optimieren.“

Sai Seidel-Sridhavan

Konkret haben Sai und seine Kollegen bei Turck drei Handlungsfelder identifiziert, in denen die gezielte Nutzung von Produktionsdaten signifikant zur Steigerung der Nachhaltigkeit beiträgt. In den folgenden Absätzen möchten wir diese drei Handlungsfelder näher beleuchten und konkrete Praxisprojekte innerhalb dieser Handlungsfelder zeigen.

  • Produktionseffizienz
  • Energiemanagement
  • Supply Chain Management

Handlungsfeld 1: Produktionseffizienz

Die Steigerung der Produktionseffizienz – z.B. durch automatisierte Prozesse – erhöht nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit und ist wirtschaftlich klug, sondern ist ein essenzieller Schritt auf dem Weg zur nachhaltigen Fabrik. Innerhalb dieses Handlungsfeldes entsteht eine ideale Symbiose zwischen Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit, wie das folgende Praxisbeispiel verdeutlicht.

Praxisbeispiel:

Sai erzählt uns im Gespräch von einem Praxisprojekt in einer Fabrik für Speiseeis. Eine große Herausforderung in der Lebensmittelproduktion ist die Verderblichkeit der Produkte. So ist Speiseeis ein Produkt, welches ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr wiederverwertet werden kann und somit Abfall erzeugt.

Bisher war es in der Fabrik so, dass die Reste, die zwangsläufig beim Wechsel von Charge A (z.B. Schokoladeneis) auf Charge B (z.B. Vanillieeis) entstehen, in Behältern in einem Kühlhaus gelagert und per Hand dokumentiert wurden. Die fehlende digitale Schnittstelle zum MES (Manufacturing Execution System) verhinderte eine Datentransparenz und sorgte dafür, dass die Reste des verderblichen Produktes zu spät erkannt und für weitere Prozesse eingeplant werden konnten.

Gelöst wurde das Problem durch RFID-Technologie in Kombination mit einer Waage und weiterer Sensorik innerhalb der Behälter im Kühlhaus. Darüber konnte eine Schnittstelle zum MES geschaffen werden. Die entstehende Datentransparenz bis ins Kühlhaus sorgt dafür, dass die Reste einer Charge zeitnah wiederverwertet oder weiterverarbeitet werden können.

Die Einsparungen zahlen sich wirtschaftlich für das Unternehmen aus, welches zugleich durch die Müllvermeidung nachhaltiger produziert.

Handlungsfeld 2: Energiemanagement

Ein fortschrittliches Energiemanagement in der Produktion steigert nicht nur die Nachhaltigkeit, sondern wird in Zeiten der Energiekrise für viele Unternehmen zur absoluten Notwendigkeit. Schon vor einer Weile hatten wir den Kunststoff-Experten Matthias Ruff zu Gast im LMZ Industry Talk. Im Gespräch über die Zukunft der Kunststoffbranche hatte Matthias bereits auf die Relevanz von Monitoring-Lösungen im Bereich Energiemanagement hingewiesen. Hier setzt auch Sai an, und greift ein Beispiel aus der Praxis auf.

„Digitales Maschinen-Monitoring ist gerade aktuell eine starke Maßnahme, um energieeffizient zu produzieren.“

Matthias Ruff im LMZ Industry Talk

Praxisbeispiel:

Innerhalb der Produktion von Gasflaschen kommt es nach dem Schweißprozess zu einer Entfettung und Reinigung der Produkte über eine entsprechende Maschine. Das hierbei verwendete Wasser kann durch die Verschmutzung im Anschluss nicht erneut verwendet werden und wird daher entsorgt.

Durch Datentransparenz und eine anschließende Nutzung der Daten konnte dieser offene Kreislauf geschlossen werden. Das Ergebnis: 90% Abwassereinsparung und entsprechend geringere Entsorgungskosten für das Unternehmen.

In diesem Praxisprojekt wurde außerdem eine Füllstandskontrolle des Wassers (mithilfe von IO-Link-Technologie) integriert. Mithilfe der daraus entstehenden Datenbasis kann das benötigte Wasser bedarfsgerecht nachgefüllt werden, was etwaigen Stillständen der Maschine vorbeugt.

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LMZ-Geschäftsführer Dennis Lenkering im Gespräch mit Sai Seidel-Sridhavan von der Firma Turck.

Im LMZ Industry Talk haben wir uns intensiv mit Sai Seidel-Sridhavan unterhalten. Dabei besprechen wir nicht nur konkrete Praxisbeispiele für mehr Nachhaltigkeit durch Datennutzung, sondern geben Tipps, wie Sie das Thema schon morgen bei sich im Unternehmen vorantreiben können. Wir wünschen viel Spaß beim Video.

Handlungsfeld 3: Supply Chain Management

Bei der Datennutzung im Bereich SCM (Supply Chain Management) geht es primär um Transparenz über diverse Daten von der Warenanlieferung (z.B. Rohware), über die Produktion und Verarbeitung, bis hin zur Warenauslieferung. Speziell im Bereich der Auslieferung ist eine möglichst genaue Identifikation der Waren von entscheidendem Vorteil, wie das dritte Praxisbeispiel von Sai zeigt.

Praxisbeispiel:

Um im Bereich SCM vollständige Datentransparenz zu erhalten, wird in diesem Praxisbeispiel sämtlichen Materialien, Produkten etc. eine Art Personalausweis im Sinne einer Identifikation gegeben. Diese Identifikation erstreckt sich bis zur Auslieferung per LKW in der Logistik.

Über ein Monitoring-System und ein Gate wird die genaue Art und Menge der Produkte auf der Palette erkannt, bevor die Produkte auf den LKW gelangen. Das System prüft schließlich, ob die Palette auch zur geplanten Lieferung passt.

Auch hier zieht das Unternehmen nicht nur einen wirtschaftlichen Nutzen aus der Datentransparenz, sondern erhöht auch seine Nachhaltigkeit. Auf der einen Seite können fehlerhafte Auslieferungen und die daraus entstehenden Kosten und Emissionen verhindert werden. Auf der anderen Seite minimiert die vollständige Transparenz teure und energieineffiziente Wege (sowohl intern als auch extern).

Unser Fazit

Nachhaltigkeit in der Industrie ist kein Selbstzweck. Eine langfristig wünschenswerte Entwicklung findet nur dann statt, wenn es den Unternehmen gelingt, Nachhaltigkeit in ihr Geschäftsmodell zu integrieren. Gezielte POC-Projekte (Proof of Concept) mit einem kalkulierten ROI (Return on Investment) sind ein guter Weg, um dies zu erreichen.

Über solche Projekte können Sie Schritt für Schritt genau die Bereiche in Ihrer Fabrik identifizieren, in denen Sie innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes den größten Nutzen erwarten können. Gelingt ein sog. Proof of Concept, steigt auch die Akzeptanz im Unternehmen, und Sie können Ihre Aktivitäten wirtschaftlich sinnvoll ausweiten.

An der Stelle bedanken wir uns herzlich bei unserem Gast Sai Seidel-Sridhavan für den Besuch und die Teilnahme am LMZ Industry Talk. Wenn Sie sich näher mit den Potenzialen von Datentransparenz in Ihrer Fabrik auseinandersetzen möchten, empfehlen wir Ihnen einen Blick in unsere Lösungen im Bereich Condition Monitoring.

Weiterführende Links:

🔗 Das gesamte Gespräch mit Sai Seidel-Sridhavan im YouTube-Video.

🔗 Wie sieht sie aus, die Fabrik der Zukunft? Antworten gibt es im LMZ Industry Talk.

🔗 Condition Monitoring by LMZ Lenkering: Holen Sie das Beste aus Ihren Daten heraus.

Dennis Lenkering (B.Sc.)
Maschinenbauingenieur und Geschäftsführer von LMZ Lenkering mit einer tiefen Leidenschaft für digitalisierte, intelligente und automatisierte Produktionsketten.
Torben Fangmann (B.A.)
B2B Marketing Stratege mit Inhaltsfokus auf industrielle Themen und branchenspezifische Entwicklungen rund um die Fabrik der Zukunft.