Industrie 4.0 ist in aller Munde – doch die vollumfängliche Umsetzung steht auf einem anderen Blatt. Abseits der Großkonzerne hat der deutsche Mittelstand mit diversen Herausforderungen rund um die automatisierte, digitalisierte Fabrik zu kämpfen. Werfen wir einen Blick drauf.

Wenn Industrie 4.0 zur Herkulesaufgabe wird: Studien zeigen, dass über 80% der Mittelständler im letzten Jahr Anwendungen für Industrie 4.0 nutzten oder planten. Die Kehrseite: Nur 9% der Industrieunternehmen können von einer umfänglichen operativen Umsetzung sprechen (Vgl. STAUFEN AG).

Warum ist das so? Was hält den Mittelstand auf? Gehen wir den größten Problemen und Herausforderungen auf den Grund.

1. Risiko der Fehlinvestition

„Bei begrenzten Ressourcen können wir uns Fehlinvestitionen nicht leisten.“

Kennen Sie das? Die Erwartungen an hochdigitalisierte Automationslösungen sind hoch. Unternehmen versprechen sich eine Menge. Doch Budgets sind extrem eng geschnürt. Das technische Interesse in der mittelständischen Industrie ist hoch, doch die finanzielle Risikobereitschaft in gleichem Maße gering.

Das ist wenig überraschend. Wo sollen die Budgets auch herkommen? Infolge der Corona-Pandemie haben viele Unternehmen nach wie vor mit Umsatzeinbußen zu kämpfen. Hinzu kommt, dass die Folgen der Krise zum aktuellen Zeitpunkt unmöglich umfassend eingeschätzt werden können.

Wo Mittelständler auf dem digitalen Spielfeld also ohnehin schon mit Vorsicht agieren, wird diese Vorgehensweise nun zusätzlich bestärkt. Es ist die naheliegende Reaktion auf eine schwierige, undurchsichtige Marktlage.

Doch nehmen wir einen Perspektivwechsel vor. Getreu dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“ lassen sich zahlreiche Beispiele für antizyklisches Handeln als Reaktion auf die Pandemie beobachten.

Der Telekom Digitalisierungsindex 20/21 für Mittelstand und Industrie zeigt, dass Corona nicht nur lähmend, sondern auch katalysierend für digitalen Wandel wirken kann. So stellt sich deutlich heraus, dass digitale Vorreiter und Unternehmen, die gezielt investieren, die Krise nachweislich besser meistern.

Wir nehmen mit: Investieren lohnt sich. Aber nicht blind, sondern mit Bedacht. Selbstverständlich sind Budgets im Mittelstand geringer als bei großen Marktbegleitern. Den Investitionsrisiken sollten Sie also zwangsläufig entgegenwirken. Mit einer ergebnisorientierten, betriebswirtschaftlichen Herangehensweise, die Ihre Ziele Schritt für Schritt und konsequent verfolgt.

2. Kleine Losgrößen

„Unsere Produkte sind zu kurzlebig – die Losgrößen zu klein.“

Die Frage nach dem reinen Investitionsbudget ist das eine. Die andere Frage: Lohnt sich eine Automatisierung überhaupt? Unternehmen brauchen einen ROI (Return on Invest). Besser früher als später.

Und jetzt kommen Projekt- und Produktionsleitern im Mittelstand Zweifel: „Automatisierung rentiert sich doch nur, wenn meine Maschinen 24/7 dasselbe Produkt produzieren. Am besten über Jahre hinweg. Wir rüsten viel zu oft um, als dass wir wirklichen Wert aus automatisierten Prozessen schöpfen können.“

Und wenn wir Ihnen jetzt sagen, dass es einen Weg gibt?

Der Schlüssel liegt beim ganzheitlichen Einsatz von Automatisierung. Nicht bezogen auf ein Produkt, eine Variante oder einen einzigen Prozess. Sondern angewendet auf das Gesamtbild in Ihrer Fertigung. Mittels übergreifender Roboterprogrammierung oder anderer modularer Konzepte sind Sie in der Lage, Ihre Automatisierung ebenso flexibel wie Ihre Produktionsprozesse zu gestalten.

Sie rüsten Ihre Maschinen um? Gleiches können Sie dann auch mit Ihrer Automatisierung tun. Der Nutzen verlagert sich dadurch von einem Produkt auf ganze Produktgruppen und Fertigungsstränge.

3. Große Datenmengen

„Wie sollen wir mit den ganzen Daten umgehen?“

Beim Thema Daten läuten bei vielen mittelständischen Unternehmen noch die Alarmglocken. Gerade, weil die Datenerfassung über automatisierte, vernetzte Anlagen, zunehmend nicht mehr in eigener Hand liegt.

Industrie 4.0 bedeutet auch: Prozessdaten teilen. Hier werden Mittelständler skeptisch. Flächendeckend werden diese sensiblen Daten noch als „geistiges Eigentum“ angesehen.

Zudem herrscht viel Unschlüssigkeit darüber, welchen Mehrwert und konkreten Gewinn die Datenerhebung am Ende bringt. Schwarz auf weiß.

Abschließend verbirgt sich hier der größte Handlungsbedarf. Mit einer detaillierten Zielsetzung werden Sie wirtschaftlich gezielte Investitionen tätigen können – doch mit der Planung ist es nicht getan. In der Umsetzung gilt es, die Potenziale von Industrie 4.0 für sich zu nutzen:

Ob bei Künstlicher Intelligenz oder bei anderen Technologien – interessant wird es, wenn Daten ins Spiel kommen. Unternehmensübergreifend. Die meisten Mittelständler sind bereits Teil digitaler Wertschöpfungsketten. Zulieferer im Bereich Automotive beispielsweise befinden sich inmitten einer riesigen, zunehmend digitalen und datengetriebenen Supply Chain mit den Global Playern der Branche.

Die Beziehung zwischen Automatisierern und Industrieunternehmen wandelt sich demnach von „Kunde – Lieferant“ zu „Partner A – Partner B“. Eine starke Vertrauensbasis ist essenziell. Denn nur in enger Zusammenarbeit – in Planung und Umsetzung – werden Sie die wahren Potenziale Ihrer Prozesse entfalten.

Letztlich ist dies nicht nur eine Umstellung von Prozessabläufen, sondern vielmehr ein Wandel der Denkweise. Hin zu unternehmensübergreifender Partnerschaft.

Dennis Lenkering (B.Sc.)
Maschinenbauingenieur und Geschäftsführer von LMZ Lenkering mit einer tiefen Leidenschaft für digitalisierte, intelligente und automatisierte Produktionsketten.
Torben Fangmann (B.A.)
B2B Marketing Stratege mit Inhaltsfokus auf industrielle Themen und branchenspezifische Entwicklungen rund um die Fabrik der Zukunft.